Was geschah am 14. Februar 1945 südlich von Dresden?

Warum wurde von Tieffliegerangriffen amerikanischer Jagdflugzeuge südlich der brennenden Stadt berichtet?

Gab es diese Angriffe wirklich?

Diese Frage wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. In der deutschen Wikipedia-Ausgabe – Stand Oktober 2014 – findet sich hierzu Folgendes:


Augenzeugen, die am 14. und 15. Februar als Flüchtlinge im Raum Dresden unterwegs waren, schilderten später Angriffe einzelner Tiefflieger.[51] Details ihrer Erinnerungen wie die Außenmarkierungen der US-Flugzeuge sind nachweislich falsch; keiner dieser Berichte gilt daher als historisch zuverlässig. Bergander fand heraus, dass die wenigen glaubhaften Berichte sich nur auf den Tagesangriff vom 14. Februar 1945 bezogen und weder die Polizeiberichte jenes Tages noch die Wehrmachtberichte, die sonst jeden Tieffliegerangriff vermerkten, dergleichen erwähnten. Sie belegten nur Tiefflüge einer Bomberstaffel auf dem Weg nach Prag, weitab von Dresden, und einen Luftkampf zwischen US-Begleitjägern und deutschen Jägern bei Dresden am Mittag des 14. Februar. Bergander folgerte:[52]

„Bei einer Verfolgungsjagd in Bodennähe können Geschossgarben auch im Boden einschlagen, und es ist ganz natürlich und psychologisch verständlich, dass Menschen im Freien Maschinengewehrsalven als auf sich abgefeuert erleben.“

Auch Sven Felix Kellerhoff nahm 2007 an, dass Dresdner Zeugen ihre Erinnerung mit Fremdberichten von Tieffliegerangriffen verschmolzen haben.[53]

Auch Schnatz schloss nächtliche Tiefangriffe am 13. Februar 1945 aus, da sich tieffliegende Jagdflugzeuge und höher fliegende Bomber während der Bombardierung gegenseitig gefährdet hätten und der Feuersturm nach dem ersten Nachtangriff Tiefflug über der brennenden Innenstadt unmöglich gemacht habe. Bei den folgenden Tagesangriffen hätten die Begleitjäger, wie bei US-Operationen typisch, eigene Angriffe allenfalls nach dem Abflug der Bomber starten können. Auch das hält Schnatz wegen der dichten Bewölkung und begrenzten Treibstoffmenge für unwahrscheinlich.[54] Er überprüfte die damaligen Befehlsketten der RAF und USAAF und stellte fest: Die alliierten Begleitjäger sollten beim Ausbleiben eines Luftkampfs sonst nahe Bodenziele angreifen. Doch weder Militärbefehle noch Pilotenaussagen noch Angaben der Nationalsozialisten in Meldungen oder Totenscheine erwähnen Tieffliegerangriffe in Dresden. Der 8. US Air Force wurde explizit verboten, im Luftraum Dresden einzugreifen. Ein RAF-Befehl an die amerikanischen Mustangs, den Straßenverkehr in Dresdens Umgebung zu beschießen, um das Chaos zu vergrößern,[55] habe sich auf Gelegenheitsziele entlang des Rückwegs nach England bezogen.[56]

Gegen diese Forschungsergebnisse protestierten im Jahr 2000 viele Dresdner Zeitzeugen. So wurde Schnatz bei der Vorstellung seines Buchs gestört.[57]

Die Dresdner Historikerkommission befragte bis 2005 164 Zeitzeugen zu Tieffliegern am 13. und 14. Februar 1945, von denen 103 genauere Zeit- und Ortsangaben dazu machten. Nur sechs fragliche Freiflächen waren mit Metalldetektoren überprüfbar. Der beauftragte Kampfmittelräumdienst fand dort keine Geschosse, die sich auf Tieffliegerangriffe zurückführen ließen.[58] Nach diesem Forschungsergebnis wird direkter Beschuss von Flüchtenden in Dresden weitestgehend ausgeschlossen.[59]

…. soweit Wikipedia


Alle Augenzeugen haben sich getäuscht?

Nach Ansicht des Autors Dr. Wolf bleibt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man unterstellt, dass sich sämtliche Augenzeugen „getäuscht“ haben sollen, etwa gelogen hätten oder einer Propaganda zum Opfer gefallen wären. Diese Unterstellungen stimmen in Anbetracht von über 164 Zeitzeugen etwas nachdenklich. In der Streitfrage, ob die Amerikaner bei jenem vernichtenden Angriff auf Dresden am 14. Februar 1945 am frühen Nachmittag südlich der brennenden Stadt Tiefangriffe durchgeführt haben oder nicht, bestreiten dies die US-Piloten bis heute vehement. Was diejenigen US-Jagdflieger betrifft, die den Dresden bombardierenden B-17-Verband eskortiert haben, ist dies auch plausibel, da sie sich während des Bombenangriffs mit deutschen Jagdfliegern beschäftigen mussten. Dies hatte zum Schutz der US-Bomber absolute Priorität vor Tiefflieger-Aktivitäten. Andererseits gibt es aber doch sehr glaubwürdige Augenzeugenberichte am Boden, dass südlich von Dresden einige Zeit nach dem US-Angriff Feuerwehrfahrzeuge und Ambulanzen von Tieffliegern attackiert worden seien.

Ein Logbuch gibt mehr Aufschluss…

Den Ansatz zur Klärung der Frage fand der Autor Dr. Manuel Wolf detektivisch in einem Logbucheintrag der damals Begleitschutz fliegenden US-amerikanischen 20th Fighter Group. Im Logbuch der 20th Fighter Group steht ausdrücklich: „Shortly after leaving the target ‚A’ Group hit the deck to strafe enemy transportation but found few targets“. („Kurz nach Verlassen des Zieles ging die ‚A’-Group auf Bodennähe herunter für Tiefangriffe auf feindliche Fahrzeuge, fand aber nur wenige Ziele.“). Gut – „Kurz nach Verlassen des Zieles“ („target“) wäre bei der Fluggeschwindigkeit eines Jagdflugzeugs – selbst dann, wenn es eine langsamere Bomberformation umkreist – doch eine ordentliche Strecke nordwestlich von Dresden, keinesfalls südlich. So wurde es immer dargestellt und aufgefasst.

Des Rätsels Lösung ist aber, dass diese Fighter Group eine Bomberformation eskortiert hat, die sich verflogen hatte, und irrtümlich Prag bombardierte. Und auf dem Rückflug von Prag nach England passiert diese Formation „shortly after leaving the target“ ausgerechnet die Gegend südlich von Dresden …

„target“ ist in diesem Fall nämlich Prag, nicht Dresden!

Dieser Fakt wurde bisher übersehen und führt die Kontroverse nun einer Klärung zu.

Die später aufgebauschte Dramatik ganzer Menschenjagden bleibt aber nach wie vor unplausibel, auch wenn der Begriff „wenige Ziele“ auf „miltärische“ Ziele wie Fahrzeuge oder – aus damaliger amerikanischer Sicht ebenfalls bekämpfenswert – Ambulanzen und Ähnliches zu beziehen ist. Dass es Derartiges jedoch an anderer Stelle in Deutschland in der Endphase des Zweiten Weltkrieges durchaus nicht selten gegeben hat, ist unbestreitbar.

Der Autor erhielt im Januar 2016 einen Brief, der hier mit freundlicher Erlaubnis der Absenderin wiedergegeben wird. Die Leserin des Buches war ein kleine Mädchen zur fraglichen Zeit und schildert Ihre Erlebnisse:

Sehr geehrter Herr Dr. Wolf,

durch einen Artikel im Internet wurde ich im vorigen Jahr auf Ihr Buch zum Luftkrieg über Europa aufmerksam. Mich interessierten besonders die Seiten 491–493, wo Sie mögliche Tieffliegeraktivitäten im Raum südlich von Dresden erörtern.

Ich selbst war am 14. 2. 1945 mit meinen Eltern im Süden der Stadt und im Bereich der Südhänge auf Landstraßen zu Fuß unterwegs. Wir liefen vom Stadtteil Plauen, wo ich die Nachtangriffe in einem Kinderkrankenhaus erlebt hatte in Richtung Osten, um öffentliche Verkehrsmittel in Pirna oder Heidenau zu erreichen. Plötzlich hörten wir hinter uns das Geräusch von Flugzeugen und heftiges Maschinengewehrgeknatter. Diese Maschinen überflogen uns ostwärts und bogen später nach links – also nach Norden ab. Dabei handelte es sich nur um einige wenige leichte Flugzeuge, deren Geräusche sich deutlich vom Dröhnen der nächtlichen Bomber unterschieden.

Ausgedehnte Angriffe großer Tieffliegerverbände waren nicht zu beobachten und tauchten auch später nie in persönlichen Gesprächen mit anderen Dresdner Zeitzeugen auf.

Weitere Augenzeugen zu Ereignissen u.a. auch in dem von Ihnen beschriebenen Gebiet sind in folgendem Internetbeitrag benannt:
dresden-dossier 1945.de unter „Tiefflieger-Dossier­ Augenzeugen 14. Februar“.

Zur Einschätzung der Berichterstattung der US-Piloten von diesem Tag ist zu bemerken, daß durch den irrtümlichen Flug einer Staffel nach Prag auch an der Dokumentation einiges durcheinander kam. So wurde erst 2004 herausgefunden, daß ein mehrfach veröffentlichtes Foto von einem angeblichen Bombenabwurf über Dresden in Wirklichkeit ein Luftbild von Prag war – es war eben Krieg.

Ich freue mich darüber , in Ihren Forschungsergebnissen die Möglichkeit der Einordnung meiner Beobachtungen gefunden zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ingeborg Grau